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Deutschland rundet auf: Spendenaktion ab März 2012 – Hintergrundinfos und Meinung

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Logo und Sprechblase Deutschland rundet auf
© Deutschland rundet auf

Vor ein paar Tagen bekam ich eine E-Mail von Christian Vater, der mich einlud, mit ihm über eine Charity-Aktion zu sprechen, die ab März bundesweit startet: “Deutschland rundet auf”. Um was für eine Aktion es sich handelt und was diese mit Kundenservice zu tun hat sowie meine persönliche Einschätzung – alles im folgenden Artikel.

Vielleicht kennt ihr solche Gedanken auch: Was wäre, wenn jeder Bewohner Deutschlands genau 1 Cent für eine gute Sache geben würde? Das würde niemandem weh tun – und so kämen bei 80 Millionen Einwohnern 800.000 Euro zusammen. Unglaublich, oder? Allerdings dürfte der reine Verwaltungsaufwand einer solchen Aktion so immens hoch sein, dass die Kosten den Gewinn auffressen, wenn nicht sogar übersteigen würden.

Worum geht es?

Christian Vater hat aber trotzdem genau das versucht. Und er scheint einen Weg gefunden zu haben, aus Cent-Beiträgen große Summen werden zu lassen. Mit der Aktion “Deutschland rundet auf” ruft er ab März 2012 dazu auf, an zunächst über 30.000 Kassen der Aktionspartner seinen Einkaufsbetrag um maximal 10 Cent aufzurunden – wer also 58,78 Euro zahlen muss kann mit den Worten “Aufrunden bitte!” auf 58,80 Euro erhöhen und spendet somit 2 Cent. Das Kalkül: Je mehr Menschen mitmachen, desto mehr fällt jeder Kleinstbetrag ins Gewicht – die Masse machts. Zudem müssen die Geschäfte ihre Einnahmen eh in der Buchhaltung vermerken, die zusätzliche Abrechnung der gespendeten Cent-Beträge dürfte mit einer Anpassung der Kassen- und Buchhaltungssoftware nicht mehr allzu hohe Kosten verursachen, was wiederum zu sinkenden Verwaltungskosten führt. Eine insgesamt sehr clevere Idee, deren Umsetzung allerdings nicht so einfach war, wie sich das zunächst anhören mag.

Herausforderung “konkurrenzübergreifend”

Eine der größten Herausforderung war und ist es, Unternehmen für die Aktion zu begeistern, die eigentlich Konkurrenten sind. Dieser Aspekt ist für mich neben dem Grundkonzept einer der Gründe, warum ich die Aktion sehr unterstützenswert finde: Christian Vaters Anspruch ist es, den Charity-Gedanken in den Vordergrund zu stellen und das Prinzip “Gemeinsam sind wir stark” nicht nur auf Seiten der Spender lebendig werden zu lassen, sondern auch auf der Seite der Aktionspartner. So kann man ab März beispielsweise an den Kassen der Discounter Penny und Netto aufrunden, die sich im  sonstigen Geschäftsleben sicherlich nicht als Freunde bezeichnen würden. Dabei betont Christian Vater im Gespräch mit mir immer wieder, dass er am liebsten an allen Kassen Deutschlands präsent sein möchte und das auch weiterhin sein erklärtes Ziel ist. Auf die 30.000 Kassen zu Beginn der Aktion am 01. März 2012 darf Vater aber zurecht auch schon sehr stolz sein.

Ein nicht ganz unkitschiger, aber zumindest schick animierter und emotional aufgeladener Spot kann man sich bereits ansehen, demnächst wird man auch im Fernsehen und vermutlich auch im Kino über ihn stolpern:

http://www.youtube.com/watch?v=riUYMfaQnD0

Wer/was wird gefördert?

Gefördert werden nur Projekte, die nachweisen können, dass sie bereits nachhaltige Arbeit in ihrem Bereich geleistet haben. Dadurch soll sichergestellt werden, dass die Gelder in verantwortungsvolle Hände und zu erfahrenen Projektträgern fließen, die zudem einem intensiven Auswahlverfahren unterzogen werden. Dabei arbeitet “Deutschland rundet auf” u.a. mit Agenturen wie PHINEO zusammen, die als unabhängiger Analysedienstleister die Wirksamkeit der Projektkandidaten überprüfen und bestätigen sollen. Nach einer ersten Vorauswahl werden die verbliebenen Kandidaten von einem Experten-Gremium ein weiteres Mal durchleuchtet und entsprechende Empfehlungen ausgesprochen. Anhand dieser Empfehlungen entscheidet wiederum ein Kuratorium, welche Projekte schlussendlich mit den eingesammelten Cent-Beträgen gefördert werden.

100% der Cent-Beträge gehen in die Projekte

Wirklich gut finde ich auch das Finanzierungsmodell, das der Aktion zugrunde liegt: Alle Verwaltungskosten, die bei einer solchen Aktion natürlich unweigerlich anfallen, werden durch Beiträge finanziert, die die Aktionspartner entrichten müssen, wenn sie Teil von “Deutschland rundet auf” werden wollen. Dieser Beitrag ist nach dem Unternehmensumsatz gestaffelt, nicht verwendete Gelder fließen wiederum zu 100% in die Stiftung und damit in die Förderprojekte. So kann jeder Spender sicher sein, dass von seinen aufgerundeten Cents nicht erst die Verwaltungskosten abgezogen werden.

Kritik

Drei Dinge sind mir aufgefallen, die ich zumindest anmerken möchte:

1. Die Aktion kommt insgesamt äußerst clean, hochprofessionell und phasenweise dadurch leicht steril daher. Das ist zumindest mein erster Eindruck. Und für den bekommt man bekanntlich keine zweite Chance. Das ist nichts grundsätzlich schlechtes, denn dadurch wird schließlich der vertrauenswürdige Eindruck verstärkt – für eine Charity-Aktion sicherlich keine schlechte Assoziation. Allerdings fehlt mir ein bisschen der Solidarisierungs-Aspekt, der das Wir-Gefühl auch optisch aufgreift. Zielgruppe sind ja alle Kunden in Deutschland – nicht nur die Berlin-Mitte-Hipster. Und schließlich geht es zunächst um Cent-Beträge, da wirkt mir persönlich so ein Hochglanz-Layout auf den ersten Blick fehl am Platz. Grundsätzlich muss ich aber auch sagen, dass ich es immer begrüße, wenn auch Wohltätigkeits-Organisationen Wert auf ein gepflegtes Corporate Design legen.

2. Die Auswahl der Projektpartner ist an keine Kriterien gebunden. Wer bereit ist, sein Kassensystem umzustellen, seine Mitarbeiter entsprechend zu schulen und die Partnergebühr zu zahlen, darf mit der Aktion werben und vom positiven Image profitieren. Auch Unternehmen wie Kik, die in letzter Zeit nicht gerade mit positiven Nachrichten Schlagzeilen machen konnten. Auf Nachfrage erklärte Christian Vater mir, dass er am liebsten jedes Unternehmen dabei hätte – je mehr Kassen, desto mehr Cent-Beträge und desto mehr Mittel für die Projekte. Das kann ich verstehen, auch vor dem Hintergrund, dass gerade zu Beginn der Aktion jede Kasse zählt. Vielleicht wird “Deutschland rundet auf” in absehbarer Zukunft einmal so groß, dass man auch Einfluss auf die Geschäftspolitik der Projektpartner nehmen kann.

3. Ich persönliche stelle mir die Situation an der Kasse während des Bezahlvorgangs nicht ganz so einfach vor, wie es die zwei Worte “Aufrunden bitte” vermitteln wollen. Zu Beginn, wenn die Aktion noch nicht jedem in Deutschland bekannt ist, wird diese Aufforderung die Kunden hinter mir sicherlich verwirren oder zumindest hellhörig machen. Der sonst so private Moment des Bezahlens bekommt so eine Öffentlichkeit, die sicher nicht jedem gefällt. Und Apropos Öffentlichkeit: auch der Spendenvorgang selbst ist ein sehr öffentlicher, ganz im Gegensatz zu anderen Spenden, die man z.B. via Überweisung etc. tätigt. Jeder um den Spender herum bekommt mit, dass hier jemand großzügig war – und das steht wiederum im Missverhältnis zur eigentlichen Spende, die ja maximal 10 Cent beträgt. Wie gesagt, das ist meine sehr persönliche Gemütslage, wenn ich mir den Vorgang an der Kasse vorstellen soll. Sicherlich bin ich da aber auch nicht der einzige, dem das so geht. Wie ist das bei euch? Vielleicht gibt es ja irgendwann einmal eine Kooperation mit Banken, bei denen man spezielle EC-Karten bekommen kann, mit denen bei der Bezahlung automatisch ohne Nachfrage aufgerundet wird. Das würde den Vorgang etwas einfacher und intimer machen.

Fazit

Ich mag “Deutschland rundet auf”. Das Prinzip leuchtet ein und man fragt sich unwillkürlich, warum das nicht schon längst jemand umgesetzt hat (die angesprochenen Herausforderungen machen einem dann aber auch schnell klar, warum sich bisher keiner an die Umsetzung dieser Idee gewagt hat). Ich werde das ab März definitiv ausprobieren und mal testen, wie gut die Mitarbeiter in den Partnerunternehmen geschult wurden. Ich bin gespannt, wie die Aktion sich entwickelt.

Achja, der Bezug zum Kundenservice: Einfacher kann man glaube ich nicht Teil einer Charity-Bewegung werden. Die Cent-Beträge tun niemandem weh, man muss keine Mitgliedschaft abschliessen oder Daueraufträge einrichten. Und das Geld geht zu 100% an die Förderprojekte. Das ist für mich kundenorientiertes Fundraising, wie es besser vielleicht gar nicht geht.

Was haltet ihr von “Deutschland rundet auf”? Könnt ihr euch vorstellen, für den guten Zweck aufzurunden? Seht ihr weitere Kritikpunkte?


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